Weinfeder Award Sonja Schilg

"Wein-Persönlichkeit des Jahres" 2022

Sonja Schilg, ehemalige und langjährige Chefin von Schloss Wackerbarth in Radebeul, seit Juni 2022 im Ruhestand.

Wolfgang Junglas, 1. Vorsitzender Weinfeder e.V. und Sonja Schilg. (Foto: Woody T. Herner)

Text und Laudator: Rudolf Knoll

Sonja Schilg ist gebürtige Slowakin und wurde bei ihren Eltern und Großeltern mit dem Weinanbau schon etwas vertraut gemacht. Die Familie war gewissermaßen ein Vorgriff auf das spätere Leben. Denn sie machte Wein für den Hausgebrauch und musste einen Teil davon an den Staatsbetrieb abliefern.

Als es um die Berufswahl ging, entschloss sie sich auf Anraten einer Deutschlehrerin zu einem Auslandsstudium. Sie wählte das Fach Betriebswirtschaft, hier mit Spezialisierung Fremdenverkehr. Damit wollte sie den Eltern deutlich machen, dass ein Weinbaustudium Zuhause nicht in Frage kommt. Studiert wurde ab 1975 in Dresden, wo sie ihren Mann kennenlernte, der aus Görlitz kam. Das ist auch Sitz der traditionsreichen Landskron-Brauerei, wo sie nach dem Studium  ihre berufliche Laufbahn begann und schließlich im Direktorat Marketing-Vertrieb landete, also eine hohe Position, die man nur mit viel Tatkraft erreicht.

Aber die Wein-Wurzeln schlugen dann doch irgendwie durch, als sie die Chance bekam, Chefin von Schloss Wackerbarth in Radebeul zu werden. Hilfreich war hier, dass sie für ihren Brau-Arbeitgeber ein Konzept für eine Erlebnisbrauerei entwickelt hatte, das aber in die Schublade wanderte, weil die Brauerei an die Holsten-Gruppe verkauft wurde. Da der Staat das Weingut in Radebeul endlich ins Laufen bringen und es als „Erlebnisweingut“ etablieren wollte, rannte Sonja Schilg praktisch eine offene Tür ein.

Vorzuweisen hatte Wackerbarth, dass es ein Haus mit einer interessanten Geschichte war, die mit Christoph August Graf von Wackerbarth begann, der das Anwesen am Fuß der Radebeuler Weinberge von 1727 bis 1729 errichten ließ, aber seinen Altersruhesitz nicht lang genießen konnte. Er starb 1734. Sein Erbe wechselte danach häufig den Besitzer und war später Kinderheim, Irrenhaus, Tapetenfabrik und im Zweiten Weltkrieg Stabsquartier. 

Wein wurde erst 1952 ein Thema, als in der DDR die Dresdner, Radebeuler und Meißener Stadtweingüter sowie verschiedene private Weingüter enteignet und zu einem Betrieb zusammengeschlossen wurden, für den man einen Sitz brauchte. Hier bot sich Schloss Wackerbarth an. Das „Volkseigene Weingut“ knüpfte an die alte Sekttradition der Region an. Was an Wein heranwuchs, wurde der Meißener Genossenschaft zugeführt. Die Grundweine für den Sekt kamen nicht von der Elbe, sondern aus sozialistischen Bruderländern wie Ungarn, Jugoslawien sowie aus Frankreich und Spanien. Nur so waren Mengen wie die 4,5 Mio. Flaschen und 2 Mio. Flaschen Pikkolo in den Jahren vor der Wende zu stemmen.

Nach der Wende ging zunächst einmal vieles drunter und drüber. Zuerst übernahm 1992 das neu gebildete Sächsische Landwirtschaftsministerium mit der Hoffnung, dass sich ein Käufer für den Betrieb findet, der nicht unbedingt in einem guten Zustand war. Es gab Unternehmer aus dem Westen, auch aus der Branche, die den Betrieb besichtigten – und dann schnell abwinkten.

Um den Wein und Sekt und die Geschäfte kümmerten sich Leute, die man nur begrenzt als ambitionierte Profis bezeichnen konnte. Dann übernahm die Sächsische Aufbaubank, die 1999 offiziell das Sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth gründete, mit der Absicht, einen Neuanfang für den defizitären Betrieb zu starten. Die historische Bausubstanz wurde komplett saniert und eine moderne Kellerei für Sekt und Wein errichtet, die das vormalige Provisorium ablöste. 

Die Aufbaubank hatte eine visionäre Zielsetzung mit Nutzung des Tourismus, wollte aber zunächst vor allem auf Bustouristen setzen. Man entschied sich, als sie am 1. Februar 2003 als Geschäftsführerin einstieg (nachdem zehn Vorgänger gescheitert waren) für das Konzept eines richtigen Erlebnisweingutes mit vielen Events und sonstigen Veranstaltungen inklusive Hochzeiten. 

Aller Anfang war schwer, mit einigen hundert Besuchern. Doch die Ideen gingen Sonja Schilg und ihrem tüchtigen, immer einsatzbereiten Team nie aus. Sie dachte auch über ihren Betrieb hinaus und war stets bemüht, andere sächsische Betriebe einzubinden. Hilfreich für sie war neben ihrer Tatkraft und ihrem Durchsetzungsvermögen auch ihr Charme. 

Sicherlich hatte sie es nicht immer leicht, ihre Ziele umzusetzen. Eine Frau in der Weinszene war vor knapp 20 Jahren noch selten. Und dann noch eine Frau, die vorher mit Bier zu tun hatte, aus dem Ausland, aus der Slowakei kam und die will den Sachsen zeigen will, wie man einen großen Betrieb erfolgreich führt – bestimmt gab es jede Menge Leute, die Vorurteile spazieren trugen.

Sicherlich war es ein Glück für sie, dass  die Qualität der Weine und Sekte deutlich besser wurde, weil sie dafür einen jungen Profi vorfand, der aus der Oberpfalz kam, aber in Geisenheim studiert hatte. Jürgen Aumüller war ein halbes Jahr vorher als Zweiter Kellermeister eingestellt worden. Der Chef-Önologe, auch ein Wessi, hatte schon erkennen lassen, dass Potenzial in den Reben steckte, aber er hatte offenbar keine große Lust, sich in Sachsen besonders anzustrengen und kündigte. 

Sonja setzte sich mit Aumüller zusammen. Sie fanden offenbar schnell Gemeinsamkeiten und entwickelten sich zu einem harmonischen Team, das nach einigen Jahren immer mehr Komplimente für die Endprodukte bekam.

Das Erlebnisweingut funktionierte. 2021 wurden 190 000 Besucher gezählt. Der Umsatz stieg von 2,6 Mio. Euro in 2023 auf zuletzt fast das Zehnfache. Schloss Wackerbarth wurde zu einem richtigen Motor für Sachsen und brachte den Tourismus im Elbtal und in Dresden richtig in Schwung. 

Sonja blieb unermüdlich aktiv. Sie gab dem deutschen Sekt ein großes Forum mit einem sehr gut besuchten prickelnden Festival vor einigen Jahren, konnte mit dem eigenen Sekt große Erfolge feiern. Und sie denkt schon an die weinbauliche Zukunft und den Klimawandel. Rote Sorten, die widerstandsfähiger sind, wurden gepflanzt. Die Bewirtschaftungsmethoden wurden überprüft und wo notwendig verändert. In den Reben wird zwar nicht nach Bio-Prinzipien gearbeitet, aber doch sehr umweltschonend.

Ende Juni 2022 hieß es wegen Erreichen des Ruhestandsalters (das ihr niemand abnimmt) Abschied zu nehmen, nicht nur von Schloss Wackerbarth, sondern auch von einem tollen Team, das sie immer gern unterstützt hat.